Themenschwerpunkt des Studium generale
»Grenzen der Kommunikation«
!!!ACHTUNG, der ursprünglich für den 30.05.2011 vorgesehene Vortrag von
Prof. Dr. Joachim Bauer (Freiburg)
Wenn Kommunikation scheitert – Vom Ursprung alltäglicher und globaler Gewalt
MUSS wegen Erkrankung des Referenten leider AUSFALLEN!!!
Aggression ist ein neurobiologisch verankertes Verhaltensprogramm, dessen evolutionärer Zweck darin zu suchen ist, dass wir Schmerz abwehren und unsere körperliche Unversehrtheit bewahren können. Wer die Schmerzgrenze tangiert, wird Aggression ernten. Eine entscheidende Erweiterung unseres Aggressionsverständnisses ergab sich durch die Beobachtung, dass die Schmerzzentren des menschlichen Gehirns (die sog. "Schmerzmatrix") nicht nur auf körperlichen Schmerz, sondern auch auf soziale Ausgrenzung und Demütigung reagieren. Dies macht verständlich, warum nicht nur physische Angriffe, sondern auch soziale Ausgrenzung und Demütigung Aggression nach sich ziehen. Die Aggression entpuppt sich damit als ein Programm im Dienste unseres auf soziale Inklusion zielenden neurobiologischen Motivationssystems. – Die Aggression ist ein soziales Regulativ, welches Betroffene aktivieren können, um ihrer Umgebung zu signalisieren, dass die Schmerzgrenze erreicht ist. Voraussetzung für ein Gelingen ihrer regulierenden Funktion ist, dass Aggression angemessen kommuniziert wird – in der Regel durch Sprache. Überall, wo dies nicht gelingt und Kommunikation abbricht, wird aus potentiell konstruktiver Aggression destruktive Gewalt. Ein politisch bedeutsamer Aspekt des Aggressionsgeschehens ist, dass die Ungleichverteilung von Ressourcen (jenseits einer durchaus vorhandenen Toleranzschwelle) für die Benachteiligten eine Ausgrenzungserfahrung darstellt und Aggression begünstigt. Tatsächlich korreliert die durch den sog. Gini-Index ausgedrückte Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen – über verschiedene Länder hinweg betrachtet – mit den jeweiligen nationalen Homizidraten. Globaler Ressourcenmangel und die zu erwartende Verschärfung von Verteilungskämpfen lässt für die Zukunft einen Anstieg des globalen Aggressionsspiegels erwarten (siehe dazu Joachim Bauer: "Schmerzgrenze – Vom Ursprung alltäglicher und globaler Gewalt", Blessing Verlag).
Prof. Dr. Joachim Bauer, Jg. 1951, war nach seinem Medizinstudium viele Jahre in der molekularbiologischen Grundlagenforschung tätig und beschäftigte sich zunächst mit der Regulation von Immunbotenstoff-Genen, später mit der Genexpression verschiedener neuronaler Proteine. Er forschte unter anderem auch längere Zeit am Mount Sinai Medical Center in New York. 1992 wurde er auf eine C3-Professur für Psychoneuroimmunologie am Uniklinikum Freiburg berufen. 1996 erhielt er für die Entdeckung von Zytokinen in Alzheimer-Plaques den Organon-Forschungspreis der Deutschen Gesellschaft für Biologische Psychiatrie verliehen. Bauer hat ca. 100 Originalarbeiten in angesehenen internationalen Zeitschriften publiziert. Von seiner ärztlichen Ausbildung her ist Bauer Internist, Psychiater und Facharzt für Psychosomatische Medizin. Er ist zweifach habilitiert (Innere Medizin und Psychiatrie) und lehrt am Uniklinikum Freiburg. Er ist Autor zahlreicher Sachbücher, u. a. von Titeln wie "Das Gedächtnis des Körpers", "Warum ich fühle was du fühlst", "Prinzip Menschlichkeit" und "Das kooperative Gen". Zuletzt erschien im Frühjahr diesen Jahres "Schmerzgrenze – Vom Ursprung alltäglicher und globaler Gewalt".
Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Annerose Keilmann (Schwerpunkt Kommunikationsstörungen, Universitätsmedizin Mainz)
Eingeschränktes Hörvermögen und Grenzen der Kommunikation
Montag, 20. Juni 2011, 18:15 Uhr, N 1 (Muschel)