Themenschwerpunkt des Studium generale:
'Soundcheck' – Die Welt als Klang
Prof. Dr. Jürgen Erich Schmidt (Philipps-Universität Marburg)
Wie klingt regionales Sprechen?
Umwertung von Dialekt und landschaftlichem Hochdeutsch unter Einfluss des Medienstandards
Dienstag, 12. November 2013, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)
1898 wurde mit der norddeutsch geprägten 'Bühnenaussprache' erstmals in der Sprachgeschichte des Deutschen eine einheitliche überregionale Aussprachenorm geschaffen. Die Übernahme der vormaligen Bühnennorm, die sich relativ schnell zu der heutigen Hochlautung entwickelte, durch den Rundfunk um 1930 und das Fernsehen nach 1950, bewirkt seit 80 Jahren eine radikale Umwertung des gesprochenen Deutschen. War bis 1930 für die Mehrheit der Sprecher ein landschaftlich geprägtes 'Sprechen nach der Schrift' die einzige Form des Hochdeutschsprechens, so lässt sich seither eine von Nord nach Süd voranschreitende Abwertung der regionalen Varietäten feststellen. Der Dialekt wird in verschiedenen Regionen kaum mehr weitergegeben, der Regiolekt, d.h. die Weiterentwicklung des ehemaligen landschaftlichen Hochdeutsch, unterliegt gegenläufigen Veränderungen seiner sozialen Bedeutung: Er verliert in einem regional gestaffelten Prozess seine gesamtgesellschaftliche Akzeptanz, wird aber gleichzeitig für seine Sprecher zum zentralen Ausdruck kultureller Identität, die das individuelle ökonomische Verhalten massiv beeinflusst. Der Vortrag versucht, die sprachhistorischen Prozesse und die linguistischen Fakten, die zur aktuellen Bewertung regional geprägten Sprechens führen, aufzudecken: Warum werden die Regiolekte verschiedener Sprachlandschaften so extrem unterschiedlich bewertet? Welche Rolle spielt die Salienz einzelner regionaler Merkmale? Lässt sich das Vertrauen, das sich Menschen, die denselben Regiolekt sprechen, nachweislich entgegenbringen, mit linguistischen Fakten in Verbindung bringen?
Jürgen Erich Schmidt, hat an der Universität Mainz Germanistik, Katholische Theologie und Politikwissenschaft studiert, dort promoviert und sich habilitiert, war 1995-1999 Professor an der Universität Greifswald und leitet seit 2000 das Forschungszentrum 'Deutscher Sprachatlas' in Marburg. Er ist Vorsitzender der Internationalen Gesellschaft für Dialektologie des Deutschen, Sprecher des Marburger LOEWE-Schwerpunkts 'Fundierung linguistischer Basiskategorien' und Leiter des geisteswissenschaftlichen Langzeitprojekts 'Regionalsprache.de' der Mainzer Akademie der Wissenschaften und Literatur. Hauptarbeitsgebiet ist die Dynamik moderner Regionalsprachen.
Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Margarete Imhof
(Professorin für Psychologie in den Bildungswissenschaften, Leiterin der Abt. Psychologie in den Bildungswissenschaften, Johannes Gutenberg-Universität Mainz)
Akustische Umwelt und kognitive Leistung:
Untersuchungen zur Frage, wie die akustische Umwelt das Arbeitsgedächtnis belastet
Dienstag, 26. November 2013, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)