STUDIUM GENERALE: MAINZER UNIVERSITÄTSGESPRÄCHE
"CHAOS UND ORDNUNG"
Prof. Dr. Jürgen Mohn
(Universität Basel)
Das Sakrale der Ordnung.
Über Unterscheidungsnarrative der Religion
Mittwoch, 19. Juni 2013, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)
Religionen erzählen von Ordnungen. Doch wie sind diese Erzählungen strukturiert? Das 'Sakrale' ist ein zentrales Organisationsprinzip in den Erzählungen über die Entstehung von Ordnungen. Und diese beziehen sich meist auf das Ganze der Welt. Welt-Ordnungen haben insofern überhaupt einen sakralen Charakter. Doch wie wird eine sakrale Ordnung narrativ, also erzählend, aufgebaut? Wie wird 'etwas' (z. B. das Chaos?) zu einer Ordnung strukturiert, die vorher nicht vorhanden war? Dieser Vorgang der Sakralisierung ist ein dynamischer Prozess und findet in Ritualen und in Erzählungen seinen Ausdruck; in diesen Medien wird er fassbar und vermittelt. Dabei ist das Phänomen zu beobachten, dass die rituellen und narrativen Medien selbst wiederum ein noch grundlegenderes Medium bearbeiten und als Matrix ihres Ordnens einsetzen: das Chaos, die Unbestimmtheit, das Ununterschiedene, das Unendliche usw.: Im Anfang war die Unterscheidung und diese begleitet die ganze Welt-Ordnung. Somit bleibt das Chaos nicht nur das Vorausgesetzte im Sinne des Überwundenen, sondern bleibt als Medium präsent: auch als das permanent Bedrohende der Ordnung. Das ist ein Grundthema der Religionen und Mythologien. Dieser narrativen Dialektik von Ordnung und Chaos soll in einer vergleichenden Betrachtung über Beispiele aus der Religionsgeschichte nachgegangen werden. Anhand von Mythen, Ritualen und auch Theorien kann gezeigt werden, wie der Prozess der sakralen Unterscheidungssetzung in Erzählungen überführt wird, die ganze Welten und insofern Welt-Ordnungen entstehen und vergehen lassen.
Jürgen Mohn, Dr. phil. habil., 1992–1995 Promotion am Graduiertenkolleg für "Interkulturelle Studien" der Universität Bonn; 1997–2003 Assistent für Religionswissenschaft an der LMU München; 2003–2006 Professur für Theorie und Methodik der Religionswissenschaft an der LMU München; seit 2006 Ordinarius für Religionswissenschaft an der Universität Basel; seit 2012 Forschungsdekan der Theologischen Fakultät; zahlreiche Publikationen in den Arbeitsschwerpunkten Religionstheorie, Religionsaisthetik, Buddhismusrezeption im Westen, Religion im Comic, Europäische Religionsgeschichte, Wissenschaftsgeschichte, Mythos und Zeit in den Religionen.
Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Andreas Buchleitner (Quantenoptik und -statistik, Physikalisches Institut, Univ. Freiburg)
Chaos, Quanten, Unbestimmtheit
Mittwoch, 26. Juni 2013, 18:15 Uhr, N 1 (Muschel)