Themenschwerpunkt des Studium generale
"Identitäten. Kontinuität und Wandel"
Prof. Dr. Jürgen Straub
Lehrstuhl für Sozialtheorie und Sozialpsychologie, Fakultät für Sozialwissenschaft, Ko-Direktor des Centrums für sozial- und kulturwissenschaftliche Psychologie und historische Anthropologie, Ruhr-Universität Bochum
Identität – psychosoziales Phänomen und wissenschaftlicher Begriff.
Eine Spurensuche am Beispiel von Eva Hoffmans autobiographischer Erzählung "Lost in Translation"
Montag, 16. November 2015, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)
Der Begriff der personalen Identität gehört seit langem zu den sozial- und kulturwissenschaftlichen Grundbegriffen. Besonders klar ist er dennoch nicht, und seit zwei, drei Jahrzehnten ist er höchst umstritten und wird sogar scharf abgelehnt und bekämpft. Für diese Aversionen gibt es indes keine guten Gründe – solange man sich an einen komplexen Begriff hält, der die "Identität" einer Person als eine in sich differenzierte, offene und dynamische Struktur bestimmt. Konzepte wie das der "transitorischen Identität" oder des "dezentrierten Selbst" bringen diese Auffassung auf den Punkt. Sie entwerfen 'moderne Subjekte' als zeitlebens lernfähige und veränderungsbereite Menschen, die sich nicht zuletzt unter dem Einfluss Anderer wandeln und dabei von Widersprüchen und Widerstreit, Konflikten und Krisen nicht verschont bleiben. Das ist oft mühsam, und häufig verändern sich Personen keineswegs ganz freiwillig. Viele tun es, im Dialog und Zusammenleben mit herausfordernden Anderen, dennoch. Dabei muten sie auch diesen Anderen etwas zu – so dass über kurz oder lang auch deren Identitäten in Bewegung geraten.
Im Vortrag wird die Offenheit und Zerbrechlichkeit einer um partielle Autonomie bemühten Person nicht nur theoretisch erläutert, sondern an einem eindrucksvollen Beispiel veranschaulicht. Eva Hoffman hat in ihrer autobiographischen Erzählung "Lost in Translation" ein exemplarisches Bild ihres bedrängten und bedrohten Selbst gezeichnet, in dem sich viele Zeitgenossen wiederfinden dürften – nicht nur diejenigen, die eine Migration hinter sich haben und in der kulturellen Fremde – sehr allmählich, einigermaßen zumindest – zurechtkommen mussten. Hoffmans Geschichte ist paradigmatisch. Sie lässt uns begreifen, was wir denn eigentlich sagen, wenn wir in einem anspruchsvollen Sinn von "personaler Identität" sprechen.
Jürgen Straub ist Inhaber des Lehrstuhls für Sozialtheorie und Sozialpsychologie an der Fakultät für Sozialwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum, außerdem Ko-Direktor des "Hans-Kilian- und Lotte Köhler-Centrums für sozial- und kulturwissenschaftliche Psychologie und historische Anthropologie" ebendort. In seinen zahlreichen, oft interdisziplinär angelegten Publikationen beschäftigt er sich mit theoretischen sowie methodologischen Grundfragen der Sozial- und Kulturwissenschaften und allerlei empirischen Phänomenen (zum Beispiel im Feld der Kulturpsychologie und Interkulturalitätsforschung, der Gewaltforschung, der Identitäts-, Gedächtnis- und Erinnerungsforschung, der Optimierung spätmoderner Subjekte und der Psychologisierung spätmoderner Gesellschaften, oder neuerdings auch der Religionswissenschaften).
Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Günter Meyer
(Geographie/Wirtschaftsgeographie, Leiter des Zentrums für Forschung zur Arabischen Welt, JGU Mainz)
Identitätswandel durch den "Islamischen Staat" – vom Underdog zum Topdog?
Montag · 7. Dezember 2015 · 18:15 Uhr · N 1 (Muschel)