Themenschwerpunkt des Studium generale
"Konflikt und Ethik"
Prof. Dr. Karl-Wilhelm Merks
(Professor em. für Moraltheologie, Universität Tilburg, Niederlande)
Alles relativ? Über interkulturelle Ethik
Montag, 9. Juli 2012, 18:15 Uhr, N 1 (Muschel)
Individualismus und Pluralismus gelten als bestimmende Charakteristiken unserer Gesellschaft. Sie gehören wesentlich zu unserm freiheitlichen Selbstverständnis. Werden damit aber Pluralität und ein mit ihr einhergehender Relativismus nicht auch zur letzten Richtschnur der Moral? Bedeuten sie nicht Auflösung und Ende gemeinsam anerkannter sittlicher Werte, Tugenden und Normen?
Die Frage nach einem moralischen Einvernehmen und Konsens wird verschärft durch eine andere, teils gleichlaufende, teils gegenläufige Entwicklung in unseren Gesellschaften: unsere zunehmende "Multikulturalität", das Miteinander verschiedener Kulturen. Im Namen der Gruppenidentität wird das Recht auf eigene Moralvorstellungen und Gemeinschaftsregeln gefordert – dies freilich nicht selten verbunden mit dem Druck der Einbindung der eigenen Mitglieder in diese Gruppenregeln. Was bleibt angesichts dieser komplexen Situation noch an Möglichkeiten einer gemeinsamen Ethik über alle Unterschiede hinweg übrig? Wie viel Pluralität ist richtig, wie viel Gemeinschaftlichkeit erforderlich?
Der Vortrag will zeigen, dass Pluralismus keineswegs den Verzicht auf moralische Gemeinsamkeiten und die Absage an ein gemeinsames Ethos bedeutet, und zeichnet die Grundlinien einer "interkulturellen Ethik" als Balance zwischen moralischer Pluralität und Universalität.
Karl-Wilhelm Merks, Prof. Dr. theol., geboren 1939 in Willich, Studium der Klassischen Sprachen, Philosophie und Theologie in Bonn, Fribourg und Toulouse. Theologische Promotion in Bonn zur Frage der Moralautonomie bei Thomas von Aquin. Von 1981 bis 2004 Professor für Moraltheologie an der Theologischen Fakultät Tilburg in den Niederlanden.
Arbeitsschwerpunkte: Fundamentalmoral, politische Ethik, Recht und Moral, Menschenrechte, interkulturelle Ethik.
Auswahl einiger Publikationen (Gesamtbibliographie s. website: www.kwmerks.de):
K.-W. Merks, Grundlinien einer interkulturellen Ethik. Moral zwischen Pluralismus und Universalität (= Studien zur theologischen Ethik 132), Fribourg/Freiburg (Academic Press Fribourg/Verlag Herder) 2012; Ders., Gott und die Moral. Theologische Ethik heute, Münster (LIT) 1998; Ders. (Hg.), Verantwortung – Ende oder Wandlungen einer Vorstellung? Orte und Funktionen der Ethik in unserer Gesellschaft (29. Internationaler Fachkongress für Moraltheologie und Sozialethik, September 1999/Tilburg), Münster (LIT) 2001; Ders. (éd.), Modèles d’unité dans un monde pluriel. Actes du Colloque international de Tilburg (décembre 2001) organisé par la Faculté de théologie de Tilburg (Pays-Bas) et des enseignants du Centre Sèvres (Paris), Münster (LIT) 2003; Ders., Göttliches Recht, menschliches Recht, Menschenrechte. Die Menschlichkeit des "Ius divinum", in: Bijdragen 65 (2004), 257–282.