Prof. Dr. Linda Hentschel – Vortragsexposé – Sommersemester 2016

THEMENSCHWERPUNKT DES STUDIUM GENERALE
"KUNST – MACHT – MORAL"

Prof. Dr. Linda Hentschel
(Kunsthochschule Mainz an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz)

Betrachten und Bestrafen?
Gewaltdarstellungen und Geschlechterverhältnisse in der Visuellen Kultur der US-amerikanischen Moderne

Montag, 13. Juni 2016, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)

Zwischen 1880 und 1980 sind über 4.800 Fälle registriert, in denen schwarze US-Bürger in so genannten "legalen Lynchings" ihr Leben verloren. Meine Auseinandersetzung mit der visuellen Kultur des Lynchens versucht zu zeigen, in welchem Maße dieses "Fest der Martern" dazu beitrug, die Freiheit einer als weiß imaginierten Nation auf dem radikalen Zwang zur rassistischen Ausgrenzung, Sexualisierung und Vernichtung schwarzer Männlichkeit zu gründen. Vor allem möchte ich auf die sadistische Lust an der Sichtbarkeit maximaler Verletzung in diesem Prozess hinweisen. Um die Popularität von Lynchfotografien besser verstehen zu können, ist es sinnvoll, in der Geschichte visueller Rassismen der USA zwischen 1880 und 1930 den Blick auszuweiten auf den frühen Sexfilm und die Minstrel Shows, jenen Bühnenspektakeln, bei denen Weiße als so genannte Blackfaces auftraten und Schwarzsein massiv diskreditierten. Indem ich diese drei visuellen Register: Sensationsfotografie, Sexfilm und Theatervarieté erstmals aufeinander beziehe, hoffe ich deutlich machen zu können, warum Lynchfotografien, so grausam es klingt, Teil der damaligen Unterhaltungskultur werden konnten.

Linda Hentschel, Studium der Kunstgeschichte, Kulturwissenschaften und Romanistik in Marburg, Montpellier und Bremen. 1999 Promotion über Raumwahrnehmung und Geschlechterverhältnisse, 2015 Habilitation zu Gewaltbildern und visueller Ethik. Seit Wintersemester 2015/16 Professorin für Kunstbezogene Theorie an der Kunsthochschule Mainz. Arbeitsschwerpunkte: Geschichte der optischen Medien und der visuellen Wahrnehmung, Foto- und Filmtheorie, Medien und Gewalt, Raumwissenschaften, französischer Poststrukturalismus, Kulturwissenschaftliche Geschlechterforschung. Aktuelles Forschungsprojekt zum "Mythos Japan" in der europäischen Kunst und Philosophie der Moderne. Publikationen u.a.: Pornotopische Techniken des Betrachtens. Raumwahrnehmung und Geschlechterordnung in visuellen Apparaten der Moderne, Marburg 2001; Bilderpolitik in Zeiten von Krieg und Terror. Medien, Macht und Geschlechterverhältnisse, Berlin 2008 (Hg.); Sicherheitslos. Prekaritäten, die Künste und ihre Geschlechter, Marburg 2012 (Mithg.); "Black Cock": Behold and Punish – Lynching Photographies and Pornographie. In: Azimuth. Philosophical Coordinates in Modern and Contemporary Age. Edizioni di storia e letterature, Roma 2015 (ital.); Bilder als Regierungstechnologien. Krieg, Terror und Visualität seit 9/11 (im Erscheinen, 2016); Weiße Tränen: Lynching und Melodrama in der Visuellen Kultur der USA (im Erscheinen, 2016). Kontakt: linda.hentschel@kunsthochschule-mainz.de.

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
PD Dr. Andreas Krause
(Privatdozent am Institut für Kunstgeschichte und Musikwissenschaft, Abteilung Musikwissenschaft, Johannes Gutenberg-Universität Mainz · Lektor für Zeitgenössische Musik, Concert Opera Media Division, Schott Music GmbH & Co. KG, Mainz)
Concert Lecture: Beethoven, Lenin und der 27. April 1945
Montag, 20. Juni 2016, 18:15 Uhr, R 00-156 (!), Atrium maximum (Alte Mensa)