THEMENSCHWERPUNKT DES STUDIUM GENERALE
"QUEST FOR FOOD – WIE ERNÄHRUNG LEBEN BESTIMMT"
Prof. Dr. Michael Schemann
(Technische Universität München)
Über ein "kleines Gehirn" im Darm
Dienstag, 13. Dezember 2011, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)
Auch wenn er "Schleimiges" produziert und seine Sekrete häufig tabuisiert werden, hat unser Darm Fähigkeiten, die kein anderes Organ aufweist. Im Laufe der Evolution hat sich im Darm ein vollkommen autonom agierendes Nervensystem etabliert, das auf Grund seiner morphologischen und funktionellen Eigenschaften unserem Kopfgehirn sehr ähnlich ist. Darauf basiert sein Alias: Darmhirn bzw "Little Brain of the Gut". Ein Darm in der Petrischale kann immer noch alle vitalen Funktionen ausüben, da das in der Darmwand lokalisierte Darmhirn über alle notwendigen sensorischen und motorischen Verschaltungen verfügt. Die Reflexe werden durch ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Neurotransmitter und Rezeptoren aufrechterhalten. Die Transmitterausstattung und Rezeptorenvielfalt ähnelt dem Kopfgehirn. Dazu kommt noch die Fähigkeit des Darmhirns auf Änderungen im Milieu zu reagieren, wie zum Beispiel auf luminale Faktoren oder Mediatoren von Immunzellen. Das Darmhirn zeigt eine enorme Plastizität, die für die Pathophysiologie und die Symptome verschiedener Magen-Darmerkrankungen eine wesentliche Rolle spielen. Die Beschreibung der physiologischen Grundlagen, die pathophysiologisch relevanten Veränderungen und die Möglichkeiten mit bildgebenden Verfahren dem Darmhirn seine Geheimnisse zu entlocken, wird Inhalt des Vortrages sein.
Prof. Michael Schemann hat Agrarbiologie an der Universität Hohenheim studiert. Er promovierte 1985 und habilitierte 1990. Dazwischen war er Post-Doc an der Ohio State University und der Columbia University. 1992 wechselte er mit einem Heisenberg-Stipendium an das Max-Planck-Institut für physiologische und klinische Forschung in Bad Nauheim. 1994 folgte er einem Ruf auf die Professur für vegetative Physiologie an der Tierärztlichen Hochschule Hannover, bevor er 2002 Ordinarius für Humanbiologie an der Technischen Universität München wurde. Er erhielt den Janssen Research Award und die ANMS Tripuraneni Oration für innovative Forschung in der Gastroenterologie. Seit 2006 ist er Mitglied der Accademia delle Scienze dell'Istituto di Bologna (Akademie der Wissenschaften Bologna). Sein Forschungsschwerpunkt ist die nervale Kontrolle von Magen-Darmfunktionen, insbesondere translationale Aspekte der Neurogastroenterologie.
Nächster Vortrag in dieser Reihe:
PD Dr. Markus Christmann (Institut für Toxikologie, Universitätsmedizin, JGU Mainz)
Toxische Stoffe in Nahrungsmitteln
Dienstag, 10. Januar 2012, 18:15 Uhr, N 1 (Muschel)