Themenschwerpunkt
"Upgrading Humanity? Die Zukunft des Menschen"
Prof. Dr. Nicolas Pethes
Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft, Universität zu Köln
Spiele mit Möglichkeiten.
Menschenversuche in der Literatur
Montag, 11. Juni 2018, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)
Was der Mensch ist, vor allem aber, was er sein wird, sind Fragen, auf die in den letzten 250 Jahren mit Hilfe unterschiedlicher Versuchsanordnungen Antworten gesucht wurden: Seit der Aufklärung wurden in Pädagogik, Medizin, Psychologie und Sozialwissenschaften menschliche Körperfunktionen und Verhaltensweisen beobachtet, meist unter der Vorgabe, anhand der gewonnenen Daten zur Verbesserung des menschlichen Lebens und Zusammenlebens beitragen zu können. Menschenversuche sind aber stets auch als ethisches Problem betrachtet worden, insofern sie die Versuchspersonen zum einen instrumentalisieren, zum anderen mehr oder weniger massiv schädigen — mitunter bis hin zum Tod, denkt man an die experimentellen Praktiken in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern. Die Vorlesung wird fragen, aus welchen Gründen die jüngere abendländische Wissenschaftsgeschichte trotz dieser offensichtlichen Abgründe dennoch so konstant auf Menschenversuche gesetzt hat, und dabei neben den wissenschaftshistorischen und ethischen Dimensionen der Thematik auch nach der Rolle der Literatur fragen: Fiktionale Texte begleiten die Geschichte des Menschenversuchs nicht nur als deren kritische Reflexion, sondern sind zugleich selbst ′Gedankenexperimente′, innerhalb derer gegenwärtige und zukünftige Möglichkeiten des Menschseins durchgespielt werden. Anhand dreier zentraler Versuchsszenerien — der Isolation von Kindern im 18. Jahrhundert, der Belastungsprüfung des Körpers im 19. Jahrhundert und der behavioristischen Konditionierung im 20. Jahrhundert — soll dieses ″Spiel mit Möglichkeiten″ in literarischen Texten auch als Grundlage für die konkreten Versuchsanordnungen in der Wissenschaftsgeschichte identifiziert werden.
Nicolas Pethes unterrichtet seit 2014 Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität zu Köln und forscht dort zu Zusammenhängen zwischen Literatur- und Wissenschaftsgeschichte, insbesondere zur Textsorte der Fallgeschichte in Medizin, Psychologie und Recht, zur Theorie des kulturellen Gedächtnisses, zur Mediengeschichte der Literatur sowie zu Diskursen über das Populäre. Von 2003 bis 2007 war er Leiter der Emmy Noether-Nachwuchsgruppe ″Kulturgeschichte des Menschenversuchs″ an der Universität Bonn. Wichtigste Veröffentlichungen zum Vorlesungsthema: ″Spektakuläre Experimente. Allianzen zwischen Massenmedien und Sozialpsychologie im 20. Jahrhundert" (Weimar: VDG 2004), ″Zöglinge der Natur. Der literarische Menschenversuch des 18. Jahrhunderts″ (Göttingen: Wallstein 2007), ″Mr. Münsterberg und Dr. Hyde. Zur Filmgeschichte des Menschenexperiments″ (Mithg., Bielefeld: Transcript 2008), ″Menschenversuche: Eine Anthologie 1750–2000″ (Mithg., Frankfurt/M.: Suhrkamp 2008), ″Kulturgeschichte des Menschenversuchs im 20. Jahrhundert″ (Mithg., Frankfurt/M.: Suhrkamp 2009), ″Literatur und Wissen. Ein interdisziplinäres Handbuch″ (Mithg.: Stuttgart 2013), ″Literarische Fallgeschichten. Zur Poetik einer epistemischen Schreibweise″ (Konstanz: Konstanz University Press 2016).
Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Lars Schmeink
(Prof. f. Medienwissenschaft, Hochschule f. Musik und Theater Hamburg)
Kritische Betrachtungen des Posthumanen in der zeitgenössischen Science-Fiction
Montag, 18. Juni 2018, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)