Themenschwerpunkt des Studium generale
Schmerz und Schmerzforschung
Prof. Dr. Peter J. Bräunlein (Bremen)
Religionsgeschichte des Schmerzes
Dienstag, 1. Dezember 2009, 18.15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)
Schmerz wird in erster Linie als biologisches, psychologisches und medizinisches Phänomen betrachtet. Schmerzvermeidung gilt als natürliche, weil instinktive Reaktion des Menschen, und die Erfolge im Kampf der Wissenschaft über den Schmerz sind Gradmesser medizinischen Fortschritts. Diese uns so selbstverständliche Einstellung gegenüber dem Schmerz ist jedoch eine Erscheinung der Moderne. Die abendländische Religionsgeschichte des Schmerzes berichtet demgegenüber von einer uns fremd anmutenden Wertschätzung des Schmerzes, von blutigen leidensmystischen Praktiken in Klöstern und von öffentlichen Schmerzritualen etwa der Geißlerbewegung. Die Identifikation mit dem leidenden Christus beförderte die Vorstellung einer transformierenden und erlösenden Kraft von körperlichem Schmerz. Auch wenn in der Moderne der ″Heilige Schmerz″ scheinbar jede Plausibilität verloren hat, untergründig ist unsere Kultur und unsere Einstellung zu körperlichem Schmerz zutiefst von christlichen Vorgaben geprägt. Dem Bild eines blutenden Körpers am Kreuz ist nicht zu entgehen.
Peter J. Bräunlein ist Ethnologe und Religionswissenschaftler und lehrt derzeit als Professor für Geschichte und Theorie der Religionen an der Universität Bremen. Er studierte an der Universität Freiburg und promovierte dort 1992 in Ethnologie. 2003 habilitierte er sich an der Universität Bremen in Religionswissenschaft. Er führte längere Feldforschungen auf den Philippinen durch, u. a. zu Passionsritualen (Selbstkreuzigung und Selbstgeißelung). Schwerpunkte seiner Forschung sind europäisches und außereuropäisches Christentum; Gewalt und Religion; Ritual, Körper, Schmerz.
Publikation: Pasyon. Schmerzrituale im Europäischen und Philippinischen Christentum. München: Fink, 2010 (im Druck).
Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Wibke Müller-Forell (Institut für Neuroradiologie, Universität Mainz)
Kann man Kopfschmerz darstellen?
Moderne Bildgebung bei sekundären Kopfschmerzen
Dienstag, 8. Dezember 2009, 18.15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)