Prof. Dr. Reinhard Merkel – Vortragsexposé – Sommersemester 2015

Themenschwerpunkt des Studium generale:

SCHULD UND STRAFE

Prof. Dr. Reinhard Merkel

(Universität Hamburg)

Willensfreiheit, Schuld, Strafe.

Grundlagen und Grenzen

Montag, 27. April 2015, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)

Haben wir einen freien Willen, die meisten von uns jedenfalls und manchmal immerhin? Bedeutsam ist die Frage für unser Handeln. Nur dann, so die allgemeine Überzeugung, kann eine Handlung frei sein, wenn dies auch der Willensentschluss gewesen ist, der sie ausgelöst hat. Und nur in einem solchen Fall kann der Handelnde für sein Tun verantwortlich sein.

Was heißt aber hier "frei"? Geläufig ist die Auskunft, frei sei die Entscheidung zu einer Handlung nur dann, wenn der Handelnde sich auch anders hätte entscheiden können. In der philosophischen Diskussion heißt dieser Freiheitsbegriff ″Prinzip der alternativen Möglichkeiten". Nun haben Handlungsentscheidungen ihren Ursprung im Gehirn, und die von ihnen ausgelösten Körperbewegungen als das physiologische Substrat von Handlungen ebenfalls. Gehirne sind aber (makro-)physikalische Systeme. Sie folgen, heißt das, in ihrem Ablauf den Regularitäten physischer Naturvorgänge ("Naturgesetzen"). Jeder Gehirnzustand, so scheint es daher, folgt aus jedem unmittelbar vorhergehenden im Modus einer unbeeinflussbaren Gesetzlichkeit. Ein freier Wille, der in diesen Ablauf intervenieren könnte, scheint hier keinen Platz zu haben. Das Prinzip der alternativen Möglichkeiten scheint daher falsch zu sein.

Ich halte diese Sicht der Dinge für grosso modo plausibel. Dennoch glaube ich, dass sich eine vernünftige Konzeption von strafrechtlicher Verantwortlichkeit für menschliches Handeln begründen lässt. Wie sie auszusehen hätte, will ich in meinem Vortrag zeigen.



Reinhard Merkel, geb. 1950, ist Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg. Er studierte Rechtswissenschaft, Philosophie und Literaturwissenschaft an den Universitäten USC (Los Angeles), Heidelberg und München. 1991 erhielt er den Jean-Améry-Preis für Essayistik. Zwischen 2003 und 2005 war er Mitglied der Enquete-Kommission "Ethik und Recht der modernen Medizin" des Deutschen Bundestags, seit April 2008 ist er Mitglied der transatlantischen Forschergruppe "The Hinxton Group: An International Consortium on Stem Cells, Ethics & Law" (UK und USA), 2009 und 2010 war er Fellow des Wissenschaftskollegs zu Berlin. Seit April 2012 ist er Mitglied im "Deutschen Ethikrat". Seine Forschungsschwerpunkte sind neben der Dogmatik des Strafrechts vor allem die rechtsphilosophische Grundlagenforschung, Rechtsethik, Theorien der Gerechtigkeit, normative Probleme der Philosophie des Geistes, Recht und Ethik in der Medizin und in den Neurowissen¬schaften sowie die Politische Philosophie und das Völkerstrafrecht.

Nächster Vortrag in dieser Reihe:

Prof. Dr. Arbogast Schmitt

(Professor em. für Klassische Philologie/Schwerpunkt Gräzistik, Seminar für Klassische Philologie, Philipps-Universität Marburg)

Odysseus und Aeneas.

Zwei Grundformen selbstbestimmten Handelns in einer von Göttern gelenkten Welt


Montag, 4. Mai 2015, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)