Gastvortrag des Mainzer Polonicums der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Prof. Dr. Renata Makarska
(Arbeitsbereich Polnisch, Fachbereich Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft ftsk, Campus Germersheim, JGU Mainz)
Alte und neue Minderheiten in Polen nach 1989
Montag, 11. Januar 2016, 18:15 Uhr, R 01-185, Fakultätssaal (Philosophicum)
Ende der 1930er Jahre machten die nationalen Minderheiten ca. 36 Prozent der Gesamtbevölkerung der Zweiten Polnischen Republik aus. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich Polen jedoch zu einem weitestgehend monoethnischen Staat gewandelt – die Minderheiten schrumpften zu ca. 2 Prozent zu Beginn der 1950er: Verantwortlich für die ethnische Entmischung war neben der Shoah auch die Verschiebung der staatlichen Grenzen. Die Politik der Volksrepublik Polen trug ebenso zur Unsichtbarkeit jeglicher Minderheiten in der polnischen Öffentlichkeit der Nachkriegsjahre bei: Die Minderheiten sollten marginalisiert und assimiliert werden, die nationalen Unterschiede räumten in gewissem Sinne den Klassenunterschieden den Weg.
Der Vortrag konzentriert sich vor dem Hintergrund dieser historischen Entwicklung auf Polens Minderheitenpolitik nach 1989 und noch genauer nach 2005. Nach einer langen Zeit der ethnischen, sprachlichen und kulturellen Entmischung kommt es in Polen seit der politischen Wende 1989/1990 zu einer neuen Vermischung, die einerseits auf ein großes Interesse der Bevölkerung stößt, auf der anderen Seite jedoch Ängste vor einem Chaos und einem unbekannnten Fremden hervorruft.
Es werden im Vortrag sowohl das »Gesetz über die nationalen und ethnischen Minderheiten« von 2005 als auch aus der kulturwissenschaftlichen Perspektive der Umgang mit Andersheit oder der vermeintlichen Fremdheit in der polnischen Öffentlichkeit der letzten Jahre vorgestellt. Es wird dabei zwischen den ›alten‹ und den ›neuen‹ Minderheiten unterschieden, d. h. zwischen den in Polen lange ansässigen und offiziell anerkannten nationalen und ethnischen Minderheiten sowie den neuen, durch die Migrationen der letzten Jahrzehnte dazugekommenen Gruppen (z. B. Vietnamesen).
Univ.-Prof. Dr. phil. Renata Makarska ist Slavistin und Kulturwissenschaftlerin. Seit 2013 ist sie als Professorin für Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft (Polnisch) an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (ftsk Germersheim) tätig und beschäftigt sich mit literatur- und kulturwissenschaftlichen Themen: u. a. mit Migration, Minderheitendiskursen, mit Regionalismus und Übersetzungstheorien.
Zu ihren neuesten Publikationen gehören:
Neue alte Rassismen. Differenz und Exklusion in Europa nach 1989 (hg. zusammen mit Gesine Drews-Sylla), Bielefeld: transcript 2015.
Polnische Literatur in Bewegung. Die Exilwelle der 1980er Jahre (hg. zusammen mit Daniel Henseler), Bielefeld: transcript 2013.