Prof. Dr. Theo Herrmann – Vortragsexposé – Wintersemester 2006/2007

FORSCHUNGSKOLLOQUIUM DES PSYCHOLOGISCHEN INSTITUTS
Das Psychologische Institut und das Studium generale laden zu folgendem Gastvortrag ein:

Prof. em. Dr. Theo Herrmann
(Universität Mannheim)

Sprache und Evolution

ACHTUNG, dieser für den 07.02.07 vorgesehene Vortrag MUSS LEIDER WEGEN ERKRANKUNG DES REFERENTEN AUSFALLEN!!!


Die menschliche Sprachkompetenz, also die Fähigkeit zu sprechen und Sprache zu verstehen, aber auch zu schreiben und zu lesen, setzt sich aus vielen unterschiedlichen Teilkompetenzen und "Sprachwerkzeugen" zusammen. Unser Sprachvermögen ist ein überaus verwickeltes psychophysisches System, das sich zusammengefügt hat, nachdem die Vormenschen (zum Beispiel Homo erectus) und unsere eigene Spezies (Homo sapiens sapiens) nur mit Hilfe dieses Systems unter den schwierigen und immer wieder wechselnden Existenzbedingungen überleben und sich fortpflanzen konnten. Einige "Sprachwerkzeuge", wie etwa der für die Sprechtätigkeit unerlässliche Kehlkopf, stammen aus uralten evolutionären Zeiten. Andere sprachliche Teilkompetenzen, zum Beispiel die Befähigung, komplexe Grammatiken zu verwenden, sind erst während der letzten ein oder zwei Millionen Jahren oder noch später im Tier-Mensch-Übergangsfeld entstanden. Zusammen mit vielen anderen Sprachmodulen bilden sie das Kompetenzsystem der Sprache. Für ein fortgeschrittenes Verständnis der menschlichen Sprachfähigkeit ist es hilfreich, sich mit der Sprachevolution zu befassen. Dies auch unter dem Vorbehalt, dass die Erforschung der phylogenetischen Entwicklung der Sprache methodisch schwierig und immer noch sehr lückenhaft ist.
Die besonders markanten Komponenten der menschlichen Sprachkompetenz sind die Verwendung von Grammatiken und – bisher zu wenig beachtet – der intentionale Code. Es sollen unter besonderer Beachtung dieser beiden Komponenten einige evolutionstheoretische Probleme der folgenden Art diskutiert werden: Wie entstand im Tier-Mensch-Übergangsfeld der spezifische evolutionäre Druck, eine immer leistungsfähigere Sprachkompetenz zu entwickeln? (Auch die dem Menschen am nächsten stehenden Primaten wie etwa die Bonobos zeigen keinerlei Ansätze zur Sprachverwendung.) Welches sind die wesentlichen biologischen und auch psychologischen Voraussetzungen, die die Evolution der Sprache überhaupt erst ermöglichten? Wie konnte sich die Sprachkompetenz während des evolutionären Geschehens so außerordentlich schnell entwickeln? (Zur Erklärung dieses Sachverhalts reicht das ursprüngliche darwinistische Schema von Mutation und Selektion offensichtlich nicht aus.)