Studium generale – Mainzer Universitätsgespräche
"Was ist Wahrheit?"
Prof. Dr. Thomas Blank
Jun.-Professor für Kulturgeschichte der Antike, JGU Mainz
Fakten vs. Fiktionen?
Plutarch über Wahrheit und Wirklichkeit in der historischen Narration
Mittwoch, 6. Juni 2018, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)
Was ist ′Wahrheit′ für die Geschichtsforschung? Geschichte besteht einerseits aus ′Fakten′, andererseits konstituiert sie sich erst durch die Erinnerung an diese, ist also stets vermittelt. Insofern gehört das Nachdenken über die Absichten und Methoden dieser Vermittlung zum theoretischen Fundament historischen Arbeitens als einer reflektierten Form dieser Vermittlung. Das gilt schon für die Geschichtsschreiber der griechisch-römischen Antike, die ihren methodischen Standpunkt üblicherweise gegen die (angeblich) falschen Geschichten ihrer jeweiligen Vorgänger sowie der Vertreter anderer Literaturgattungen abzugrenzen versuchten. Der Vortrag stellt mit den diesbezüglichen Reflexionen des heute vor allem für seine historischen Parallelbiographien bekannten Plutarch von Chaironeia (ca. 45-120 n. Chr.) einen Ausschnitt aus dieser Methodendebatte vor, der in besonderer Weise verdeutlicht, wie weitgehend sich die Ziele antiker Geschichtsschreibung an Zwecken jenseits bloßer Narration von Fakten orientieren. Plutarchs Konzept von Geschichtsschreibung (historiē) und Biographie (bios) ist von seinen epistemologischen und moralphilosophischen Lehrvorstellungen bestimmt. Die Wahrheit, auf die solche Literatur abzuzielen hat, besteht in einer Beschreibung vergangener Ereignisse, die es ermöglicht, daraus philosophische Erkenntnisse über das Wirken der moralischen Ideen in der Welt abzuleiten. Diese Qualität können indes für Plutarch, wenigstens in der Theorie, auch fiktionale Erzählungen haben.
Thomas Blank, Dr. phil., geb. 1980, ist seit 2016 Juniorprofessor für Kulturgeschichte der Antike am Historischen Seminar der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Studium (Geschichte, Latein und Griechisch) an der Eberhard Karls Universität Tübingen; ebendort Promotion (2012) zur Argumentation mit historischen Exempla in der Literatur des Isokrates. Tätigkeiten als Wissenschaftlicher Mitarbeiter in Tübingen (2010) und Mainz (2010-2013). Juniorprofessor für Alte Geschichte mit Schwerpunkt Griechische Geschichte an der Universität des Saarlandes (2013-2016). Ehemaliger Stipendiat (2002-2010) und Vertrauensdozent (seit 2015) der Friedrich-Ebert-Stiftung. Forschungsschwerpunkte sind u.a.: Bildungs- und Weisheitskulturen in der Antike; Religionsgeschichte; Geschichte der Geschichtsschreibung; Publikation zum Thema: Blank / Maier (Hgg.): Die symphonischen Schwestern. Narrative Konstruktion von ′Wahrheit(en)′ in der nachklassischen Geschichtsschreibung. Stuttgart 2018.
Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Dr. Philipp Müller
(Wissenschaftlicher Mitarbeiter, DySCo – Dynamics of Society and Communication Research Group, Allgemeine Kommunikationsforschung, Institut für Publizistik, Johannes Gutenberg-Universität Mainz)
Die "Wahrheit" des Journalismus und die "alternative Wahrheit" der sozialen Medien. Antagonistische Weltbilder im aktuellen öffentlichen Diskurs und ihr gemeinsamer Kern
Mittwoch, 13. Juni 2018, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)