Prof. Dr. Thomas Kern – Vortragsexposé – Wintersemester 2011/2012

STUDIUM GENERALE: MAINZER UNIVERSITÄTSGESPRÄCHE
"Welt ohne Stillstand – Bewegung als Prinzip"

Prof. Dr. Thomas Kern
(Max-Weber-Institut für Soziologie, Universität Heidelberg)

Auf dem Weg in die Bewegungsgesellschaft? Protest als treibende Kraft sozialen Wandels

Mittwoch, 25. Januar 2012, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)

Protestbewegungen sind eine treibende Kraft des gesellschaftlichen Wandels: Täglich drängen überall auf der Welt Tausende von Menschen auf die Straße, um Forderungen aller Art Nachdruck zu verleihen. Eindrückliche Beispiele aus dem Jahr 2011 sind der arabische Frühling, Stuttgart 21 oder "Occupy Wallstreet". Dabei schaffen Protestbewegungen ein Bewusstsein für drängende wirtschaftliche, politische oder kulturelle Probleme, beteiligen sich an der Suche nach Lösungen und geben dadurch Impulse für gesellschaftliche Lernprozesse. Langfristige Studien zeigen, dass in allen westlichen Gesellschaften die Zahl der Proteste seit Kriegsende nicht nur kontinuierlich zugenommen hat, als Mittel zur Artikulation und Durchsetzung von Ansprüchen stoßen sie auch in der sogenannten "Mitte" der Gesellschaft zunehmend auf Akzeptanz. Vor diesem Hintergrund prognostizieren manche bereits das Aufziehen einer "Bewegungsgesellschaft" als Ausdruck von gelebter Demokratie und Bürgerbeteiligung. Dabei wird allerdings oft übersehen, dass Protestbewegungen nur selten breiten Rückhalt in der Bevölkerung finden – beispielsweise weil die Teilnehmer nur ihre partikularen Interessen vertreten oder weil ihr Anliegen in einem Gegensatz zu allgemein anerkannten Werten steht. Oft flackern Proteste nur für kurze Momente auf, um gleich wieder im Sand zu verlaufen. In anderen Fällen kommt es zwar zu einer beeindruckenden Massenmobilisierung, die kollektiven Aktionen erreichen jedoch nicht ihr Ziel und bleiben – zumindest auf den ersten Blick – erstaunlich wirkungslos. Angesichts der großen Zahl von Konflikten, die jeden Tag aufbrechen und unbeachtet oder folgenlos bleiben, stellt sich somit die Frage, wie es um die Möglichkeiten der Bürger tatsächlich steht, durch Protest nachhaltigen gesellschaftlichen Wandel herbeizuführen. Mit diesem Thema wird sich der Vortrag am Beispiel der Umweltbewegung und ihrer Rolle bei der Durchsetzung einer Energiewende in Deutschland beschäftigen.

Prof. Dr. Thomas Kern, Studium der Soziologie in Frankfurt und Bamberg; 1996 Promotion an der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg; 2005 Habilitation an der Universität Hagen; 2000 bis 2003 Humboldt-Stipendiat an der Yonsei University in Seoul (Südkorea), 2003 bis 2008 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien in Hamburg, 2008 bis 2009 Heisenberg-Fellow am Max-Weber-Kolleg in Erfurt. Seit 2009 ist Thomas Kern Professor für Soziologie an der Universität Heidelberg. – Arbeitsgebiete: Globalisierungsprozesse, Protestbewegungen, Demokratisierung, Zivilgesellschaft, religiöser Wandel und soziale Netzwerkanalysen.

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Christina Thurner (Tanzwissenschaft, Institut für Theaterwissenschaft, Universität Bern)
Die Kunst der Bewegung: Tanz
Mittwoch, 1. Februar 2012, 18:15 Uhr, N 1 (Muschel)