Prof. Dr. Thomas Metzinger – Vortragsexposé – Sommersemester 2012

Studium generale: Mainzer Universitätsgespräche
WER IST ICH?

Prof. Dr. Thomas Metzinger (Mainz)

Das minimale phänomenale Selbst und die Perspektive der Ersten Person:
Neuigkeiten aus der interdisziplinären Erforschung des menschlichen Selbstbewusstseins

Mittwoch, 18. April 2012, 18.15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)

Subjektivität ist das Kernproblem für die aktuelle Theoriebildung im Bereich der Bewusstseinsforschung: Wie entsteht das bewusst erlebte Selbst? Was sind die Ursprünge der subjektiven Innenperspektive und wodurch genau wird das phänomenale Erleben zu einem subjektiven Phänomen?
In der modernen Philosophie des Geistes ist seit längerem klar, dass das eigentliche Problem die nicht-begrifflichen Schichten des Selbstbewusstseins sind und dass der Körper eine entscheidende Rolle bei der Konstitution des Ichgefühls spielt. ′Embodiment′ ist eines der Stichworte, das heute sehr unterschiedliche Forschungsstrategien an der hochaktiven Schnittstelle zwischen Philosophie und Kognitionswissenschaft verbindet. Ich werde dafür argumentieren, dass es aus strategischen Gründen wichtig ist, zunächst die allereinfachste Form des Zielphänomens zu isolieren und dass es – entgegen einer weitverbreiteten philosophischen Annahme – eine grundlegende Form des Ichgefühls gibt, die nicht nur vom rationalen Denken und den Emotionen unabhängig ist, sondern auch von der bewussten Handlungskontrolle. Dazu werde ich Beispiele aus der Hirnforschung, der Robotik und aus virtual reality-Experimenten präsentieren, bei denen es unter anderem darum geht, das Ichgefühl von der Wahrnehmung des eigenen Körpers zu trennen und die Tiefenstruktur des menschlichen Selbstbewusstseins genauer zu erforschen.

Thomas Metzinger, geb. 1958, Studium der Philosophie, Religionswissenschaften und Ethnologie, 1985 Promotion, 1989 Habilitation, seit 2002 Professor für Theoretische Philosophie am Philosophischen Seminar der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Zahlreiche Forschungspreise und Mitgliedschaften, u.a.: Gründungsmitglied im Vorstand (seit 1995) und Präsident (2009–2011) der Association for the Scientific Study of Consciousness, Fellowship (5 Jahre) und Senior Member McDonnell Project in Philosophy and the Neurosciences, Hanse-Wissenschaftskolleg, Wissenschaftskolleg zu Berlin (2008), Präsident der dt. Gesellschaft für Kognitionswissenschaft (2005–2007), Leiter der MIND Group am Frankfurt Institute for Advanced Studies. – Zu seinen Forschungsschwerpunkten und Interessengebieten zählen v.a. analytische Philosophie des Geistes, angewandte Ethik, Kognitionswissenschaften und KI und die Verbindungen zwischen Ethik, Philosophie des Geistes und Anthropologie. – Wichtige Veröffentlichungen: The Ego Tunnel (2009), Being No One – The Self-Model Theory of Subjectivity (2003), Neural Correlates of Consciousness (2000), Conscious Experience (Hg., 1995), Grundkurs Philosophie des Geistes (3 Bde., 2007–2010).

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Andreas Fellgiebel (Leitender Oberarzt, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz)
Veränderungen von Person und Ich-Identität bei Demenzerkrankungen
Mittwoch, 25. April 2012, 18.15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)