Themenschwerpunkt
FAMILIE, FREUNDE, PARTNER. BEZIEHUNGEN IM KULTURVERGLEICH
Prof. Dr. Vera King
Professorin für Soziologie und Sozialpsychologie an der Goethe-Universität und Geschäftsführende Direktorin des Sigmund-Freud-Instituts in Frankfurt am Main
Migrationserfahrungen und ihre Folgen in Familien
Montag, 15. Januar 2018, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)
Hoffnung auf Verbesserung der Lebensbedingungen spielt bei vielen Migrationen eine wichtige Rolle, während Aus- und Einwandern zugleich unvermeidlich mit Trennung, mit Verlusten und Wagnissen verbunden ist, insbesondere mit dem Risiko des im weiteren Sinne "Nicht-Ankommens". Migrationen stellen insofern hohe Anforderungen an psychische Verarbeitungsfähigkeiten. Im Falle ungünstiger 'äußerer' sozialer Bedingungen – wie z.B. massive Ausgrenzungserfahrungen, Deklassierung oder Diskriminierung – kann die 'innere', psychische Verarbeitung von Verlust umso eher misslingen. Unter solchen Voraussetzungen können Überforderungen und die Schwierigkeiten dominieren, das im Zuge der Wanderung Verlorene oder Nicht-Erreichte zu betrauern.
Diese unbewältigten Aspekte werden, wie im Vortrag ausgeführt wird, generationsübergreifend bzw. transgenerational in hohem Maße wirksam, umso mehr, als Migration sich häufig als ein 'intergenerationales Erwartungsprojekt' beschreiben lässt, bei dem spätestens die Kinder, so der Wunsch, beweisen sollen, dass sich die Mühen und Opfer der Migration gelohnt haben. Dazu werden migrationstypische Konstellationen transgenerationaler Weitergabe beschrieben sowie psychische Folgen mit Blick auf destruktive und produktive Potenziale erörtert. Von besonderem Interesse ist dabei auch die Adoleszenz der Kindergeneration, also jene Lebensphase, in der die Töchter und Söhne potenziell ihre eigenen Lebensentwürfe als erwachsene Frauen und Männer entwerfen. Im Vortrag werden familiendynamische Folgen der Migration überdies anhand von Beispielen aus empirischen Studien mit Migrantenfamilien und ihren adoleszenten Kindern veranschaulicht.
Vera King war von 2002 bis 2016 Professorin im Institut für Allgemeine, Interkulturelle und International Vergleichende Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg. Seit 2016 ist sie Professorin für Soziologie und psychoanalytische Sozialpsychologie an der Goethe-Universität Frankfurt a.M. sowie geschäftsführende Direktorin am Sigmund-Freud-Institut. Ihre Forschungen und Publikationen befassen sich insbesondere mit dem Verhältnis von Kultur und Psyche. King hat Projekte u.a. zu Adoleszenz-, Familien- und Generationenforschung, auch zu psychischen Folgen der Migration durchgeführt und forscht über Folgen der Digitalisierung.
Wichtige Publikationen (Auswahl): Die Entstehung des Neuen in der Adoleszenz, Springer VS (2013, 1. Aufl. 2002); Adoleszenz – Migration – Bildung, hrsg. gemeinsam mit Christoph Koller, Springer VS (2009, 2. Aufl.); 'Lost in Perfection'. Impacts of Optimization on Culture and Psyche, hrsg. gemeinsam mit Beniga Gerisch und Hartmut Rosa, Routledge (2018); gemeinsam mit Hans-Christoph Koller Herausgeberin der Buchreihe 'Adoleszenzforschung: Zur Theorie und Empirie der Jugend aus transdisziplinärer Perspektive', Springer VS.
Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Winfried Schmitz
(Professor für Alte Geschichte, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn)
"Und im richtigen Alter eine Frau ins Haus dir geleiten". Bäuerliche Familienstrukturen im archaischen Griechenland
Montag, 22. Januar 2018, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)