Prof. Dr. Volker Hess – Vortragsexposé – Wintersemester 2016/2017

THEMENSCHWERPUNKT
″ZU RISIKEN UND NEBENWIRKUNGEN …″ – PHARMAZEUTISCHE FORSCHUNG, MARKT UND VERANTWORTUNG

Prof. Dr. Volker Hess
Leiter des Instituts für Geschichte der Medizin und Ethik in der Medizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin

Testen für den Westen.
Klinische Auftragsstudien in der DDR, 1960–1990

Dienstag, 6. Dezember 2016, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)

Für die pharmazeutischen Hersteller der westlichen Industrieländer war der Eiserne Vorhang nicht undurchdringlich. Selbst nach dem Mauerbau wurden vermutlich mehr als 900 klinische Studien mit westlichen Arzneimittelprodukten in der DDR durchgeführt, viele von ihnen in direktem Auftrag und unter Aufsicht westlicher Pharmafirmen. Diese grenzüberschreitende Arzneimittelforschung gab in den vergangenen Jahren zu vielen Spekulationen Anlass. Vorgestellt werden sollen die Ergebnisse eines knapp dreijährigen Forschungsprojekts – im Hinblick auf Umfang, Schwerpunkte und praktische Durchführung dieser klinischen Auftragsforschung. Dabei soll auch auf die viel diskutierte Frage ethischer Grenzverletzungen eingegangen werden. Im Mittelpunkt steht jedoch die Frage nach Motiven und Gründen für die Verlagerung der klinischen Forschung in die DDR. Diese sind ohne Blick auf die Entwicklung der klinischen Forschung im Westen nicht nachzuvollziehen. Dieser doppelte Blick eröffnet eine differenzierte Perspektive auf das Phänomen der klinischen Auftragsforschung – und erlaubt zugleich die Rekonstruktion der klinischen Forschungsstrategien und -praktiken.

Volker Hess ist geschäftsführender Direktor des Instituts für Geschichte der Medizin und Ethik in der Medizin der Universitätsmedizin Charité. Nach einem Studium der Medizin und Philosophie promovierte er 1992 mit einer Arbeit über die Medizinische Semiotik, 1999 folgten Habilitation (FU Berlin) und ein einjähriges Forschungsstipendium am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte. 2003 nahm er den Ruf auf den Lehrstuhl für Geschichte der Medizin an der Humboldt-Universität zu Berlin (Nachfolge Prof. Schneck) an und übernahm 2004 die Leitung der zusammengeführten Institute Berlin-Ost und Berlin-West. Ein Forschungsschwerpunkt ist die Geschichte der klinischen Forschung: Von 2008 bis 2013 war er Chair des ESF Research Networking Programme "DRUGS", 2009 bis 2015 Sprecher der DFG-Forschergruppe "Kulturen des Wahnsinns", seit 2011 leitet er eine ERC Research Group, von 2013 bis 2015 leitete er ein Forschungsprojekt zur klinischen Auftragsforschung in der DDR.

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Thomas Efferth

(Leiter des Departments Pharmazeutische Biologie, Johannes Gutenberg-Universität Mainz)
Wie sanft ist grüne Medizin wirklich? Nebenwirkungen und Vergiftungen durch Heilkräuter
Dienstag, 13. Dezember 2016, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)