Prof. Dr. Werner F. Kümmel – Vortragsexposé – Sommersemester 2005

THEMENSCHWERPUNKT DES STUDIUM GENERALE
»WIDERSTAND UND VERANTWORTUNG«

Prof. Dr. Werner Friedrich Kümmel
Professor em. für Geschichte der Medizin, Universität Mainz

Die medizinischen Menschenversuche im Nationalsozialismus und die Entwicklung der ärztlichen Ethik

Montag, 6. Juni 2005, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)

Die medizinischen Versuche an Häftlingen im Nationalsozialismus, die durch den Nürnberger Ärzteprozess 1946/47 ans Licht kamen, waren der Ausgangspunkt dafür, ethische Standards in der Medizin erstmals international verbindlich festzulegen, insbesondere für die Forschung am Menschen. Dieser Hintergrund zeigt sich in der aktualisierten Fassung des alten Hippokratischen Eides, die 1948 von dem kurz zuvor gegründeten Weltärztebund (World Medical Association) als „Deklaration von Genf“ beschlossen wurde, erst recht jedoch in den zehn Punkten über „zulässige medizinische Versuche“, die das Nürnberger Militärgericht im Ärzteprozess zugrunde legte (Nürnberger Kodex). Zentrales Prinzip darin war die freiwillige Zustimmung von Versuchspersonen aufgrund eingehender Information (informed consent) – eine Vorschrift, die in Deutschland bereits vor 1933 staatlicherseits aufgestellt worden war. Darauf fußte auch die 1964 vom Weltärztebund verabschiedete und seither mehrfach novellierte „Deklaration von Helsinki“ („Empfehlungen für Ärzte, die in der biomedizinischen Forschung am Menschen tätig sind“). Der Vortrag zeichnet diese Entwicklung bis hin zu der kontrovers diskutierten europäischen Bioethik-Konvention nach. Er soll eine Ergänzung sein zu der vom 24. Mai bis zum 3. Juli in der Alten Mensa gezeigten Ausstellung „Gewissenlos – gewissenhaft. Menschenversuche im Konzentrationslager“.

Prof. Dr. phil. Werner Friedrich Kümmel (geb. 1936), Studium der Geschichte, Musikwissenschaft, Griechisch und Philosophie, 1966 Dr. phil., 1966-69 Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft, 1970 Assistent am Institut für Geschichte der Medizin in Frankfurt a. M., 1973 Habilitation, 1976-1985 Professor am Medizinhistorischen Institut in Mainz, 1986-88 Leiter des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung in Stuttgart, 1988-2004 Leiter des Medizinhistorischen Instituts in Mainz.
Forschungsgebiete: Lebensform und Gesundheit in historischer Sicht; Geschichte der jüdischen Ärzte, insbesondere ihre „Ausschaltung“ im Dritten Reich; Beziehungen zwischen Medizin und Musik in vormoderner Zeit; Entwicklung des Fachs Medizingeschichte.

Nächster Vortrag dieser Reihe:
Prof. Dr. Hermann Kurzke (Mainz)
»Moralische gute Zeit«. Thomas Manns Kampf gegen Hitler
Montag, 13. Juni 2005, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)