Prof. Dr. Wolfgang Düsing – Vortragsexposé – Wintersemester 2004/2005

Der Interdisziplinäre Arbeitskreis für Drama und Theater
und das Studium generale laden im Rahmen der Ringvorlesung
GESCHICHTE DER THEATERKRITIK
zu folgendem Vortrag ein:

Prof. Dr. Wolfgang Düsing
(Deutsches Institut, Universität Mainz)

Friedrich Hebbel Von der »höheren Kritik« zur Poetik des Dramas

Montag, 10. Januar 2005, 18.15 Uhr, P 5 (Philosophicum)

Hebbels Theaterkritiken sind Teil seines umfangreichen, aber kaum bekannten kritischen Werkes. Seit 1839, seit seiner Mitarbeit am »Telegraphen«, einer von Gutzkow, dem Repräsentanten des »Jungen Deutschland« herausgegebenen Zeitschrift, war Hebbel bis zu seinem Lebensende als Kritiker und Rezensent tätig. Er kämpft gegen die seichten Unterhaltungsstücke, kritisiert die Besetzungspraxis des Theaters, setzt sich aber auch mit Kritikern auseinander, von denen er selbst sich missverstanden fühlt. Dabei ist sich Hebbel allerdings der Unsicherheit und Problematik jedes ästhetischen Urteils bewusst: Indem er sich selbst allmählich als Dramatiker durchzusetzen beginnt, baut er zur Abwehr von Fehldeutungen seine Theorie des Tragischen, seine Auffassung von der Darstellung des Geschichtsprozesses und von der Rolle der Sprache im Drama immer weiter aus. Das gibt seinen Kritiken eine Wendung ins Grundsätzliche. Es sind immer Kritiken eines Dramatikers, dem es um die Rechtfertigung der von ihm geschaffenen Literatur und der von ihm vertretenen Tragödienkonzeption geht. Hebbel hat sogar einmal auf dem Wege der Kritik versucht, den Boden für ein geplantes Stück vorzubereiten. Die Kritiken der Nibelungen-Dramen von Geibel und Raupach sind nicht nur – auch aus heutiger Sicht – berechtigte Verrisse, sie deuten auch auf Hebbels eigenes Spätwerk, die große Nibelungentragödie, voraus.

Wolfgang Düsing promovierte 1967 an der Universität Köln, habilitierte sich 1975 an der Universität Mainz, war von 1976 bis 1983 Professor an der Universität Trier und ist seit 1983 an der Universität Mainz Professor für Neuere Deutsche Literaturgeschichte.

Neuere Publikationen zum Umkreis des Themas:
Neben Publikationen zu Lessing und Schiller seien er¬wähnt: Aspekte des Geschichtsdramas. Von Aischylos bis V. Braun. Hrsg. v. W. D. Tübingen 1998. – »Hebbels Demetrius zwischen Schiller und V. Braun«. In: Hebbelsymposium 2002. Wien 2004 (dem¬nächst). – »Hebbels Nibelungen. Ein Untergangsmythos als 'deutsches Trauerspiel'«. In: »Ausdruck und Größe des 19. Jahrhunderts« in Drama und Theater. Hrsg. v. F. N. Mennemeier und B. Reitz. Tübingen 2005.

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Bernhard Reitz (Seminar für Englische Philologie, Universität Mainz)
Die englische Theaterkritik um 1800: Elizabeth Inchbald und Leigh Hunt
Montag, 17. Januar 2005, 18.15 Uhr, P 5 (Philosophicum)