Themenschwerpunkt des Studium generale
WAS IST LEBEN?
Prof. Dr. Wolfgang M. Heckl (München)
Molekulare Selbstordnung am Ursprung des Lebens
Dienstag, 23. November 2010, 18.15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)
Wie kann man sich eine abiotische Entstehung von Leben vorstellen? Dies ist eine Frage, die sehr eng mit der Entstehung von Ordnung als einer notwendigen, nicht hinreichenden Voraussetzung zum Aufbau der Lebenskette fern vom thermodynamischen Gleichgewicht in natürlichen Systemen zusammenhängt. Wie können zwei der Schlüsselprobleme bei der Emergenz von Leben, wie wir es kennen, gelöst werden?
Erstens, das Problem der zirkularen Kausalität: Die Transkriptions- und Translationsmaschinerie, die in lebenden Systemen den genetischen Code realisiert, setzt ihn zu ihrer eigenen Synthese voraus. In anderen Worten, Enzyme brauchen zu ihrer eigenen Synthese den Code, den sie eigentlich erst herstellen sollten, also ein typisches Henne/Ei Problem.
Zweitens, was ist verantwortlich für die Einheitlichkeit in den grundlegenden biochemischen Prinzipien aller noch so verschiedenster Lebensformen auf der Erde? Damit verknüpft ist insbesondere die Frage nach dem Ursprung der Homochiralität, ohne die es kein Leben in der bekannten Form geben könnte. Wo liegt, was induziert den Symmetriebruch zwischen zwei enantiomorphen Molekülen, die in der Regel beide gleichmäßig in abiotischen chemischen Synthesen entstehen? Dieser Symmetriebruch drückt sich z. B. in der Linkshändigkeit fast aller DNA-Moleküle und in der Rechtshändigkeit der Zucker, die lebende Organismen aufbauen, aus.
Einzig Experimente können Antwort auf diese Fragen geben und zwischen verschiedenen, sich teilweise widersprechenden Theorien entscheiden.
Wolfgang M. Heckl, geb. 1958, Generaldirektor des Deutschen Museums München (seit 2004), Inhaber des Oskar von Miller-Lehrstuhls für Wissenschaftskommunikation an der TU München School of Education (seit 2009). ― 1978 bis 1985 Studium der Physik an der TU München, Promotion im Bereich Biophysik. 1993 Habilitation in Physik bei Theodor Hänsch. Von 1993 bis 2009 Professor für Experimentalphysik an der LMU München, seit 1999 Mitglied des Center of NanoScience. 1993 Philip Morris Forschungspreis, 2002 Communicator-Preis, 2004 Descartes Prize for Science Communication der Europäischen Union, 2008 Bundesverdienstkreuz. ― In der Forschung beschäftigt sich Heckl mit der Frage, wie molekulare Strukturen und Prozesse bei der Wechselwirkung von Geo- und Biosphäre auf der frühen Erde zur Entstehung von erstem Leben beigetragen haben könnten. Zahlreiche Patente und Veröffentlichungen zum Thema Nanotechnologie.
Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Dr. Michael Wuttke (Referatsleiter, Erdgeschichtliche Denkmalpflege Mainz, Direktion Landesarchäologie)
Fossilien – Momentaufnahmen aus dem Fluss des Lebens
Dienstag, 30. November 2010, 18.15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)