Prof. Dr. Wolfram Höfling – Vortragsexposé – Wintersemester 2015/2016

STUDIUM GENERALE: MAINZER UNIVERSITÄTSGESPRÄCHE
"TOD UND STERBEN"


Prof. Dr. Wolfram Höfling
(Rechtswissenschaftliche Fakultät, Universität zu Köln)

Selbstbestimmung und Integritätsschutz am Lebensende – Zur Diskussion über Patientenverfügungen, Suizidassistenz und Tötung auf Verlangen

Mittwoch, 13. Januar 2016, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)

Sterben und Tod sind in entwickelten Gesellschaften für die meisten Menschen schon lange keine "natürlichen" Prozesse und Ereignisse mehr, die sie schicksalsergeben oder in Gottvertrauen auf sich nehmen. Sie sind immer mehr zu gestaltbaren Phänomenen geworden – genauer: Sie sollen dazu gemacht werden: "Mein Wille geschehe"! Selbstbestimmung bis zuletzt ist der Wunsch Vieler. In solchen Vorstellungen spiegeln sich nicht nur durchaus nachvollziehbare Ängste vor einer medizinisch-apparativen Instrumentalisierung und vor dem Verlust von Autonomie am Lebensende. Oftmals zeigt sich hierin aber auch eine illusionäre Hoffnung. Patientenverfügungen beispielsweise können nützliche Instrumente antizipativer Selbstbestimmung sein, weisen aber keineswegs den Königsweg. Selbstbestimmung am Lebensende ist prekär, nicht selten ein fragiles Konstrukt, das bedroht wird durch integritätsgefährdende Fremdbestimmung.
Welche Orientierungs- und Beurteilungsmaßstäbe bietet nun das Recht? Ist das "Kategoriengeklappere" (Roxin) von aktiver und passiver, direkter und indirekter Sterbehilfe wirklich hilfreich? Der Vortrag möchte insoweit einige Missverständnisse ausräumen, den Blick schärfen für die Komplexität selbstbestimmter Entscheidungen am Lebensende und die Diskussion einbetten in die verfassungsrechtlichen Vorgaben. Die aktuelle Debatte zur Suizidassistenz und die jüngste gesetzgeberische Reaktion darauf werden ebenfalls berücksichtigt.

Wolfram Höfling, geboren 1954, studierte Rechtswissenschaften, Politikwissenschaft und Ägyptologie. Nach dem politikwissenschaftlichen Magisterexamen in Bonn promovierte er 1987 mit der Arbeit "Offene Grundrechtsinterpretation" an der Universität zu Köln und habilitierte sich dort 1992 mit der Studie "Staatsschuldenrecht". Nach Professuren in Heidelberg und Gießen ist er seit 1998 Inhaber des Lehrstuhls für Staats- und Verwaltungsrecht, Finanzrecht sowie Gesundheitsrecht und Direktor des Instituts für Staatsrecht der Universität zu Köln. Seit 2001 ist er Mitglied des Vorstandes bzw. des Stiftungsrats der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Von 2010 bis 2012 war er stellvertretender Vorsitzender der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer; seit 2012 ist er Mitglied des Deutschen Ethikrats.
Seine Forschungsschwerpunkte sind die Grundrechtsdogmatik, das Finanzverfassungsrecht und das Medizin- sowie Gesundheitsrecht. Von den thematisch einschlägigen Publikationen seien genannt: Das sog. Wachkoma, 2. Aufl. 2007 (als Hrsg.); Leben und Sterben in Richterhand?, 2006 (zusammen mit A. Schäfer); Patientenautonomie oder (fürsorgliche) Fremdbestimmung, GesR 2011, 199ff.; Kommentar zum Transplantationsgesetz, 2. Aufl. 2013 (als Hrsg.); Kommentierung des Patientenverfügungsgesetzes (§§ 1901a ff. BGB), in: Prütting (Hrsg.), Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Aufl. 2014 (zusammen mit A. Engels).

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Martin Weber (Facharzt für Innere Medizin, Schwerpunkt Hämatologie und Internistische Onkologie, Leiter der Interdisziplinären Abteilung für Palliativmedizin, Universitätsmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz)
Mehr als Schmerztherapie – palliativmedizinische Konzepte und Organisationsstrukturen für ein selbstbestimmtes Sterben in Würde
Mittwoch, 20. Januar 2016, 18:15 Uhr, N 1 (Muschel)