Prof. Ines Geipel · Vortragsexposé · Sommersemester 2010

THEMENSCHWERPUNKT DES STUDIUM GENERALE

"DOPING UND ENHANCEMENT. GRUNDFRAGEN DER ETHIK"


!!!ACHTUNG, der ursprünglich für Montag, 05.07.2010, vorgesehene VORTRAG von Prof. Ines Geipel (Berlin)

Vom Zwangsdoping zum chemischen Systemzwang im Elitesport?

MUSS wegen Erkrankung der Referentin leider AUSFALLEN!!!



Spätestens mit dem Berliner Doping-Prozess im Jahr 2000, dem bisher größten in Deutschland, schien die Systemlogik des DDR-Spitzensports aufgedeckt und umfänglich belegt worden. Nirgends auf der Welt hatte man so skrupellos, umfangreich und effizient ein konspiratives Steroidsystem aufgebaut wie in Ostdeutschland. Es lief seit 1974 unter dem Code-Namen 14.25 und bedeutete nichts anders als flächendeckendes Zwangsdoping von etwa 15 000 Athleten, dazu systematische Sichtungsprogramme für alle olympischen Sportarten, exorbitante Trainingsumfänge – ermöglicht durch aggressive Steroidvergaben, geheime Forschung, illegale medizinische Versuchsreihen, auch an Minderjährigen, auf kriminelle Weise zustande gekommene Habilitationen und ab Mitte der achtziger Jahre auch die zunehmende Verflechtung mit dem westlichen Forschungsmarkt. Bekanntlich hat sich der vereinigte deutsche Sport mit den historischen Hypotheken des DDR-Sports schwer getan. Was durch die Berliner Prozesse vor zehn Jahren an Unrecht belegt wurde und vom Bundesgerichtshof bestätigt wurde, leidet an politischer Amnesie. Die Aufarbeitung regrediert: Belastete Trainer sind im Sport verblieben, die Arbeit der ostdeutschen Dopingforscher wurden durch gut bezahlte Stellen honoriert, Dopingrekorde blieben ungelöscht, die Opfer des Systems sind nach wie vor unversorgt und sterben weg. Das Dopingproblem in Deutschland ist auch durch die verharmlosende Aufarbeitung von Politik und Sport virulenter denn je.



Ines Geipel, geb. 1960 in Dresden, ist Schriftstellerin, Professorin für Verssprache in Berlin und ehemalige Weltklasse-Sprinterin. Nach ihrem Germanistik-Studium in Jena floh sie 1989 nach Westdeutschland und studierte Philosophie und Soziologie in Darmstadt. Im Jahr 2000 war sie Nebenklägerin im Prozess gegen die Drahtzieher des DDR-Zwangsdopings. Ihr Buch "Verlorene Spiele" (2001) hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Bundesregierung einen Entschädigungs-Fonds für DDR-Doping-Geschädigte einrichtete. 2005 gab sie ihren Staffelweltrekord zurück, weil er unter unfreiwilliger Einbindung ins DDR-Dopingsystem zustande gekommen war. 2008 veröffentlichte sie den viel beachteten Band "No Limit. Wie viel Doping verträgt die Gesellschaft". Im Herbst 2010 erscheint ihr neuestes Buch "Seelenriss. Depression und Leistungsdruck".