Reichert, Prof. Dr. Folker – Vortragsexposé – Wintersemester 2019/2020

Themenschwerpunkt
"Über Seidenstraßen – Kulturtransfer und Globalisierung"


Prof. Dr. Folker Reichert

Professor i.R. für Mittlere Geschichte, Universität Stuttgart

Marco Polo und die Globalisierung des 13. Jahrhunderts

Montag, 27. Januar 2020, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)

Gab es im Mittelalter eine Vor- oder Frühform der Globalisierung? Will man die Frage beantworten, kommt automatisch die Person Marco Polos (1254–1324) ins Spiel. Sie steht paradigmatisch für die Möglichkeiten und Grenzen des interkontinentalen Handels sowie des kulturellen Austauschs zwischen Ostasien und Europa seit dem 13. Jahrhundert. Sogar der Wechsel von einer Kultur in die andere war damals möglich. Man kann Marco Polo als kulturellen Grenzgänger, wenn nicht sogar als (zeitweiligen) kulturellen Überläufer bezeichnen. Gleichzeitig muss man seine Biographie in der Geschichte der mongolischen Reichsbildung, der "kommerziellen Revolution" in Europa und der Erweiterung des mittelalterlichen Weltbilds verorten. Marco Polo hat mit dem Buch, das er gemeinsam mit einem Ghostwriter verfasste, entscheidend dazu beigetragen, dass das Weltwissen der Europäer seit dem 13. Jahrhundert bis nach China und Japan reichte. Christoph Kolumbus und die europäische Expansion in der Frühen Neuzeit konnten daran anknüpfen. Auch diesen Gesichtspunkt muss man bedenken, wenn man die Frage beantworten will: Gab es im Mittelalter eine Vor- oder Frühform der Globalisierung?

Prof. Dr. Folker Reichert (*1949) studierte Geschichte, Germanistik und Latein in Würzburg und Heidelberg. 1982 wurde er mit einer Arbeit über ein Thema der österreichischen Verfassungsgeschichte im Mittelalter in Heidelberg promoviert. 1982/83 war er als Lektor des DAAD in Shanghai (VR China) tätig. 1990 folgte die Habilitation in Heidelberg. Seine Habilitationsschrift über "Begegnungen mit China. Die Entdeckung Ostasiens im Mittelalter" wurde mit dem Preis des Verbandes der Historiker Deutschlands für den wissenschaftlichen Nachwuchs ausgezeichnet. Reichert übernahm Lehrstuhlvertretungen an den Universitäten in Dresden, Köln und Bonn und wurde 1994 auf den Lehrstuhl für mittelalterliche Geschichte an der Universität Stuttgart berufen, den er bis 2012 innehatte. Gastprofessuren führten ihn nach Shanghai, Yokohama und Bangkok. Er ist Mitglied der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg und der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters bei der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. 2011/12 war er Fellow am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg in Greifswald. Folker Reichert forscht und publiziert zur Geschichte des Reisens, der Entdeckungen und der Kartographie im Mittelalter sowie zur Geschichte der Mediävistik im 20. Jahrhundert.

Abschließender Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Martin Kintzinger
(Professor für Hoch- und Spätmittelalter/Westeuropäische Geschichte, WWU Münster)
Das Wissen der anderen.
Kulturtransfer als Kontingenz zwischen Orient und Okzident im Mittelalter
Montag, 3. Februar 2020, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)