Schimsheimer M.A., Christof – Vortragsexposé – Wintersemester 2019/2020

Veranstaltung des Mainzer Polonicums der JGU Mainz


Christof Schimsheimer, M.A. (Mainz)

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Arbeitsbereich Osteuropäische Geschichte

Erinnerung im Wandel:
Der Polnische Unabhängigkeitstag

Vortrag und Diskussion mit dem Referenten


Montag, 11. November 2019, 18:15 Uhr, R 01-185 (Fakultätssaal, Philosophicum)

Als Folge des Ersten Weltkrieges erlangte Polen im Jahr 1918 nach 123 Jahren Teilungszeit seine Unabhängigkeit wieder. Symbolträchtiges Datum ist dabei der 11. November 1918, als am Tage der Kapitulation des Deutschen Kaiserreiches Józef Piłsudski der Oberbefehl über die polnischen Truppen übertragen wurde. Die Konsolidierung des polnischen Staates stand damit allerdings erst am Anfang und auch die nationale Bedeutung des Datums blieb im Polen der Zwischenkriegszeit umstritten. So sahen die Nationaldemokraten in dessen erinnerungspolitischer Aufladung eine un­erwünschte Aufwertung des politischen Gegners Piłsudski. Nachdem der 11. November schließ­lich erst 1937 zum Nationalfeiertag ernannt worden war, blieb wiederum die Erinnerung daran im kom­munistischen Polen unterdrückt. Mit der Wende von 1989 konnte dann in einem freien Polen wieder der Nationalfeiertag am 11. November began­gen werden. Dieser Unabhängigkeitstag ist heute in seiner Bedeutung zwar allgemein akzeptiert, doch ist es die Form des Gedenkens, die für Kontro­versen sorgt, da die alljährlich veranstalteten Unabhängig­keitsmärsche nationalistischen Gruppen eine Plattform bieten. Der innerpolitische Streit um das ange­messene Gedenken gewann zum hundertjährigen Jubiläum im letzten Jahr noch einmal an Schärfe. Da der Großteil der Polen die Feierlichkeiten am 11. November jedoch als friedlichen Ausdruck patriotischer Freude verstanden wissen möchte, zeigen sich auch manche irritiert von einer in ihren Augen einseitigen Fokussierung in den ausländischen Medien auf rechtsradikale Entgleisungen. Der 101. Jahrestag des polnischen Unabhängigkeitstages gibt nun Anlass, dessen Geschichte noch einmal bis in die Gegenwart nach­zuzeichnen.

Christof Schimsheimer M.A., Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Arbeitsbereich Osteuropäische Geschichte des Historischen Seminars der JGU. Geboren 1986 in Mainz. Studium der Slavistik, Ost­europäischen Geschichte und Politikwissenschaft in Mainz, Thorn (Toruń) und Warschau. Zurzeit Promotion zur Geschichte des Kresy-Begriffs in der Teilungs- und Zwischenkriegszeit. Wissenschaft­liche Schwerpunkte: Geschichte und Erinnerungskultur Polens sowie die historischen Beziehungen Polens zu seinen östlichen Nachbarn.
Jüngere Veröffentlichungen: Polens Sicht auf seine östlichen Nachbarn im Spiegel der Parla­mentaria des Jahres 1919. In: Bendel, Rainer (Hrsg.): Die mittel-osteuropäischen Nationalstaaten nach 1918. Transformationen nach dem Zusammenbruch der Kaiserreiche. Berlin 2019, S. 13–44; Galizien und die Kresy als polnische Erinnerungsorte im Vergleich. In: Baran-Szołtys, Magdalena; Dvoretska, Olena u.a. (Hrsg.): Galizien in Bewegung. Wahrnehmungen – Begegnungen – Verflech­tungen. Göttingen 2018, S. 37–55; "Ein Beispiel gab uns Bonaparte"? Die Napoleonischen Kriege in der kollektiven Erinnerung der Polen. In: Klausing, Caroline; von Wiczlinski, Verena (Hrsg.): Die Napoleonischen Kriege in der europäischen Erinnerung. Bielefeld 2017, S. 65–99.