Themenschwerpunkt "Stress. Evolution, Funktion, Bewältigung" – Konzept – Wintersemester 2022/2023

Kaum jemand kennt sie nicht: Situationen, in denen einem alles über den Kopf zu wachsen scheint. Wir sind gestresst. Dabei hat sich das "Stresssystem" in physiologisch und kognitiv komplexeren Organismen gerade aus dem Grund entwickelt, um mit potenziell herausfordernden Situationen besser umgehen zu können.
Begleitet vom Gefühl der Angst bereitet sich ein Lebewesen auf Flucht oder Kampf vor, indem das Stammhirn – der entwicklungsgeschichtlich älteste Teil des Gehirns – die Kontrolle übernimmt. Atemfrequenz und Puls erhöhen sich, um den Körper mit mehr Sauerstoff und damit Energie zu versorgen. Mit diesem Notfallsystem werden aufwendige, bewusste Denk​prozesse umgangen. In echten Gefahrensituationen bringt ein solcher Mechanismus Vorteile und sichert in vielen Fällen aufgrund der Unmittelbarkeit der folgenden Reaktion das Überleben.
In modernen Gesellschaften sind die Gefahrenlagen aber eher diffus und wenig konkret. Auch Lärm, ein hohes Arbeitspensum oder psychisch belastende Situationen können den Körper in den Stressmodus schalten, obwohl in diesem Moment keine wirkliche Gefahr besteht. Eine dauerhafte Aktivierung des Stresssystems hat negative Auswirkungen und kann die Entstehung ernsthafter Erkrankungen begünstigen. Gleichzeitig aber benötigen Menschen (positiven) Stress, um bestimmte Aufgaben motiviert zu erledigen.
Menschen unterscheiden sich in ihrer Fähigkeit, den Stress zu bewältigen: Bei einigen scheint er keine Spuren zu hinterlassen, sie sind resilient. Bei anderen führt er zu Belastungen und gesundheitlichen Problemen, die die Lebensqualität erheblich einschränken können. Wo aber liegen die Ursachen für diese Unterschiede in der Stressbewältigung? Und wie können wissenschaftliche Erkenntnisse aus diesem Forschungsbereich therapeutisch genutzt werden? – Dem Phänomen Stress wollen wir uns mit Beiträgen aus den Lebenswissenschaften (Biologie, Medizin, Neurowissenschaften und Psychologie) sowie aus kulturphilosophischer Perspektive annähern.

Vorlesungsreihe am Dienstag