Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe – Vortragsexposé – Wintersemester 2018/2019

Themenschwerpunkt
"Wie fair ist Deutschland? Befunde und Perspektiven zur Geschlechtergerechtigkeit"

Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe
Professorin em. für Wirtschaftslehre des Privathaushalts und Familienwissenschaft, Justus-Liebig-Universität Gießen

Gleichstellungspolitische Anforderungen an Vereinbarkeitspolitik:
Wie kann die Abkehr vom Zuverdienermodell partnerschaftlich gestaltet werden?

Dienstag, 22. Januar 2019, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)

Das Ziel der Geschlechtergleichstellung ist in Deutschland weiterhin nicht erreicht. Das zeigt sich in der Unterpräsenz von Frauen in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, in der asymmetrischen Verteilung der unbezahlten Sorgearbeit, aber auch im Bereich der Alterssicherung. Diese Analyse stützt sich nicht allein auf den Gender Pay Gap oder den Gender Pension Gap, sondern auch auf einen neuen Indikator – den Gender Care Gap. Er liegt in Paarhaushalten mit Kindern bei 83,3 Prozent. Diese Zeitbindungen für Haushalt, Familie und Ehrenamt, aber auch die Tatsache, dass Frauen im Schnitt geringere Stunden­löhne und Lebenserwerbseinkommen erzielen als Männer, münden in eine Lohn- und Sorge-Lücke, die als ein Zeichen ungleicher Verwirklichungschancen zu bewerten sind. Im Vortrag wird herausgearbeitet, wie Wege aus diesem Dilemma aussehen können. Es gilt, das heute weit verbreitete Zuverdiener-Modell durch ein Erwerb-und-Sorge-Modell abzulösen, welches es Menschen − unabhängig vom Geschlecht − ermöglicht, gleichberechtigt an der Erwerbsarbeit teilzuhaben, aber auch private Sorgearbeit leisten zu können. Die Umsetzung des Erwerb- und Sorge-Modells setzt allerdings eine verlässliche, alltagsunterstützende Infrastruktur mit qualifizierten Beschäftigten in den Berufen der Sozialen Arbeit, der Hausarbeit, Gesundheit, Pflege und der Kinderbetreuung und -erziehung voraus. Aus diesem Grund hat die Sachverständigenkommission für den Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung die Aufwertung dieser Sorgeberufe ins Zentrum ihrer Handlungsempfehlungen gerückt (BMFSFJ 2017).

Univ.-Prof. em. Dr. sc. oec. Uta Meier-Gräwe, Leitung des Lehrstuhls für Wirtschaftslehre des Privathaushalts und Familienwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen (1994–2018); Leiterin des Kompetenzzentrums "Professionalisierung und Qualitätssicherung haushaltsnaher Dienstleistungen" (2013 bis 2018), Mitglied der Sachverständigenkommission zur Erstellung des Siebten Familienberichts der Bundesregierung sowie des Ersten und Zweiten Gleichstellungsberichts der Bundesregierung, Bernhard-Christoph-Faust-Medaille für besondere Verdienste in der Gesundheitsförderung und gesundheitlichen Prävention (2012), Ehrenpreis des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge (2018), Ehrenpraktissima des Bundesverbandes der Mütterzentren (2018). Forschungs- und Publikationsschwerpunkte: Familien-, sozioökonomische Haushalts- u. Geschlechtersoziologie, Armuts-, Zeit- und Dienstleistungsforschung, Kosten-Nutzen-Analysen.

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Gabriele Diewald

(Professorin für Germanistische Linguistik, Leibniz Universität Hannover)
Geschlechtergerechte Sprache: Linguistische Grundlagen und Gestaltungsmöglichkeiten
Dienstag, 29. Januar 2019, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)