Wilholt, Prof. Dr. Torsten – Vortragsexposé – Sommersemester 2019

Themenschwerpunkt
"Was darf Wissenschaft?"


Prof. Dr. Torsten Wilholt
Professor für Philosophie und Geschichte der Naturwissenschaften, Universität Hannover Ι Dauerhafter Gastprofessor, Abteilung Philosophie, Universität Bielefeld

Forschungsfreiheit – Begründungen und Grenzen

Montag, 17. Juni 2019, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)

Warum räumen wir ausgerechnet der wissenschaftlichen Forschung bestimmte Freiheiten ein? Welche Werte sollen dadurch geschützt werden? Welche Freiheiten müssen im Einzelnen gewährleistet sein, damit Forschungsfreiheit die von ihr erhofften Früchte trägt? Bei der Suche nach den Gründen (und ihren Begrenzungen) zeigt sich schnell, dass die Freiheit der Forschung auf mehreren ganz verschiedenartigen philosophischen Grundlagen fußt.

Eine von ihnen, das Argument aus Autonomiegründen, beruht auf der These, dass der Mensch frei forschen dürfen müsse, weil es zu den Grundvoraussetzungen selbstbestimmten Lebens gehöre, sich frei Wissen verschaffen zu können. Eine zweite, erkenntnistheoretische Begründung der Forschungsfreiheit besagt, den einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern möglichst weitreichende Freiheiten zu gestatten, sei die effizienteste Weise, dafür zu sorgen, dass die Wissenschaften uns so viel wie möglich von demjenigen Wissen verschaffen, das wir als Allgemeinheit uns von ihnen erhoffen. Drittens kommt noch eine politische Begründung infrage, der zufolge der Sinn des Forschungsfreiheitsprinzips darin besteht, die politische Unabhängigkeit der Wissenschaften zu garantieren. Bürgerinnen und Bürger sollen auf wissenschaftliches Wissen zurückgreifen können, wenn sie ihre politischen Präferenzen ausbilden, ohne dass dieses durch politische Einseitigkeit belastet ist.

Der Vortrag wird diese verschiedenen, historisch teils weit zurückreichenden Wurzeln des heutigen Verständnisses von Wissenschaftsfreiheit freilegen und diskutieren, was sie für eine angemessene Anwendung des Begriffs der Forschungsfreiheit auf die Wissenschaft der Gegenwart bedeuten.

Torsten Wilholt, Jahrgang 1973, ist seit 2011 Professor für Philosophie und Geschichte der Naturwissenschaften an der Leibniz Universität Hannover. Nach einem Studium in Philosophie, Mathematik und Wissenschaftsgeschichte in Göttingen und Berlin (HU) promovierte er an der Universität Bielefeld mit einer Arbeit zur Philosophie der Mathematik. Er war Visiting Scholar an der Columbia University und Feodor Lynen Research Fellow der Humboldt-Stiftung an der University of Toronto. 2010 habilitierte er sich an der Universität Bielefeld. Seit 2015 ist er Sprecher des DFG-Graduiertenkollegs "Die Integration theoretischer und praktischer Wissenschaftsphilosophie". Er ist Gründungsmitglied des interdisziplinären "Leibniz Center for Science and Society" an der Leibniz Universität Hannover und dauerhafter Gastprofessor an der Universität Bielefeld. Zu seinen Arbeitsgebieten zählen die soziale Erkenntnistheorie der Wissenschaften, die allgemeine Wissenschaftstheorie, die politische Philosophie der Wissenschaften und die Wissenschaftstheorie anwendungsorientierter Forschung. Zum Vortragsthema ist 2012 im Suhrkamp Verlag sein Buch Die Freiheit der Forschung: Begründungen und Begrenzungen erschienen.

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Dr. Anna-Maria Brandstetter
(Akademische Direktorin, Institut für Ethnologie und Afrikastudien · Kuratorin der Ethnografischen Studiensammlung, Johannes Gutenberg-Universität Mainz)
Was tun mit dem kolonialen Erbe in ethnografischen Sammlungen?
Montag, 24. Juni 2019, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)